Agathokles (Ägypten)

Agathokles (altgriechisch Ἀγαθοκλής Agathoklḗs; † 203 v. Chr. in Alexandria) war im späten 3. Jahrhundert v. Chr. ein führender Politiker während der Herrschaft des ägyptischen Königs des Ptolemaios IV.

Leben

Abstammung; Ministerkarriere unter Ptolemaios IV.

Agathokles war der Sohn eines gleichnamigen Vaters und dessen Gemahlin Oinanthe.[1] Der Althistoriker Werner Huß glaubt in Anlehnung an die feindselige Tradition beim hellenistischen Historiker Polybios, dass Agathokles niedriger Herkunft gewesen und erst unter dem König Ptolemaios IV. aufgestiegen sei.[2] Polybios referiert eine gehässige Charakterisierung von Agathokles’ Familie durch den ägyptischen Feldherrn Tlepolemos, der später Agathokles stürzte. Demzufolge sei Oinanthe eine Sambyke-Spielerin[3] und Agathokles’ Schwester Agatthokleia ein Putzmädchen gewesen. Walter Ameling nimmt hingegen eine höhere Abstammung des Agathokles an, indem er dessen Vater mit Agathokles, dem Sohn des Diadochenherrschers Lysimachos, identifiziert.[4]

Laut Plutarch stammte Oinanthe aus Samos, und sie brachte wohl während der Herrschaft des Königs Ptolemaios III. ihre Kinder, darunter Agathokles und Agathokleia, nach Ägypten.[5] In seiner Jugend war Agathokles Mundschenk am Hof [Ptolemaios’ III.[6] und später Gefährte (altgriechisch ἑταῖρος hetaíros) sowie angeblich auch Geliebter (altgriechisch ἐρώμενος erṓmenos) und concubinus (Beischläfer) des Königs Ptolemaios IV.[7] Er wurde wohl bald nach dessen Regierungsantritt (221 v. Chr.) unter dessen „Freunde“ (Philoi) aufgenommen.[2] Spätestens ab 219 v. Chr. leitete er mit Sosibios gemeinsam die ägyptische Politik und hatte wesentlichen Anteil an der Vorbereitung der erfolgreich verlaufenden Schlacht von Raphia (217 v. Chr.) gegen den Seleukidenherrscher Antiochos III.[4] Da er nicht selbst an diesem Feldzug teilgenommen hatte,[8] warf Polybios ihm mangelnden soldatischen Mut vor.[9]

Über Agathokles’ weitere politische Karriere unter Ptolemaios IV. ist kaum etwas bekannt. 216/215 v. Chr. war er Alexanderpriester,[10] 207/206 v. Chr. Inhaber eines Landguts. Seine Schwester Agathokleia war eine einflussreiche Geliebte Ptolemaios’ IV. Wahrscheinlich verdankte er seine machtvolle Stellung vor allem seiner persönlichen Verbundenheit mit dem König. Er teilte auch dessen belletristische Neigungen; so schrieb er einen Kommentar zu der von seinem königlichen Gönner verfassten Tragödie Adonis.[11] Allerdings darf sein Einfluss nach Meinung von Werner Huß nicht überschätzt werden; bei Polybios erscheint durchaus Sosibios als der mächtigere Minister. Das von Polybios entworfene äußerst negative Bild von Agathokles dürfte verzeichnet sein.[12]

Regent für Ptolemaios V.; Tod

Nach dem Tod Ptolemaios’ IV.im Sommer 204 v. Chr. übernahmen Sosibios und Agathokles die Vormundschaft und Regentschaft für den erst fünfjährigen Nachfolger Ptolemaios V. Zahlreiche moderne Forscher nehmen an, dass Ptolemaios IV. diese Aufgabe aber seiner Schwestergemahlin Arsinoë III. zugedacht hatte, wie Polybios dies implizit behauptet.[13] Werner Huß vertritt hingegen die Meinung, dass Sobisios und Agathokles tatsächlich testamentarisch vom verstorbenen König mit der Übernahme der Reichsverweserschaft betraut worden seien. Huß weist dabei darauf hin, dass sich nach einhelligen Quellenzeugnissen Ptolemaios IV. und seine Schwestergemahlin entfremdet hatten und bislang noch keine Ptolemäerkönigin die Regierung geführt hatte.[14]

Viele Althistoriker sind der Ansicht, dass Arsinoë III. die Machtübernahme durch die Minister nicht akzeptieren wollte und es zu einem Machtkampf kam, in dessen Verlauf ein Teil des Palasts von Alexandria abbrannte[15] und die Königinwitwe im Auftrag des Sosibios und Agathokles von Philammon[16] umgebracht wurde.[17] Kurz darauf beriefen Sosibios und Agathokles die Soldaten der Leibgarde und Palastwache sowie die Offiziere der nahe der Hauptstadt stationierten Kavallerie und Infanterie zu einer Heeresversammlung im größten Hof des alexandrinischen Königspalasts ein. Sie informierten dieses Gremium über den Tod des Königspaars, ordneten landesweite Trauer an und proklamierten den kleinen Ptolemaios V. zum neuen Herrscher. Dann verlasen sie ein – laut Polybios gefälschtes – Testament, laut dem sie vom verstorbenen König zu Vormündern seines jungen Sohns ernannt worden seien. Am Ende der Zeremonie ließen sie zwei silberne Urnen herbeiholen, deren eine die Überreste Ptolemaios’ IV., die andere aber nicht jene Arsinoës III., sondern Spezereien barg. Die Urnen wurden auf Befehl der beiden Regenten im Sema beigesetzt.[18] Da Sosibios nach diesem Staatsakt nicht mehr erwähnt wird, dürfte er bald darauf gestorben sein.[19] Viele Alexandriner betrauerten Arsinoës III., während Agathokles und seine Partei bei ihnen verhasst war.[20]

Nun führte Agathokles allein die Regierungsgeschäfte weiter. 203 v. Chr. kam es in Alexandria zu einer von Tlepolemos, dem Kommandanten von Pelusion, geschürten Militärrevolte gegen den ungeliebten Machthaber. Agathokles wurde mit seinen Verwandten von einer rasenden Menge ermordet.

Literatur

  • Family of Agathocles. – Stammbaum auf: tyndalehouse.com bei archive.org vom 3. Januar 2012.

Einzelnachweise

  1. Polybios, Historíai 14, 11, 1; Plutarch, Kleomenes 33, 2.
  2. a b Werner Huß: Ägypten in hellenistischer Zeit 332–30 v. Chr. München 2001, S. 460.
  3. Polybios, Historíai 15, 25, 32; Plutarch (Kleomenes 33, 2) nennt Oinanthe eine Kupplerin, wohl eine Anspielung darauf, dass sie ihre Tochter Agathokleia mit Ptoloemaios IV. verkuppelt habe.
  4. a b Walter Ameling: Agathokles [6]. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 1, Metzler, Stuttgart 1996, ISBN 3-476-01471-1, Sp. 240.
  5. Plutarch, Amatorius 9, in: Moralia, p. 753 d; dazu Anthony E. Raubitschek: Oinanthe 6). In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XVII,2, Stuttgart 1937, Sp. 2189.
  6. Polybios, Historíai 15, 25, 32.
  7. Scholion zu Aristophanes, Die Thesmophoriazusen 1059; Porphyrios, in: Felix Jacoby (Hrsg.): Die Fragmente der griechischen Historiker. (FGrH) Nr. 260, F 45.
  8. Polybios, Historíai 5, 83, 3 und 5, 87, 6.
  9. Polybios, Historíai 15, 34, 3.
  10. Ägyptische Urkunden aus den Staatlichen Museen Berlin, Griechische Urkunden (BGU), Band 6, Nr. 1262.
  11. Scholion zu Aristophanes, Die Thesmophoriazusen 1059.
  12. Werner Huß: Ägypten in hellenistischer Zeit 332–30 v. Chr. München 2001, S. 461 f.
  13. So z. B. Günther Hölbl: Geschichte des Ptolemäerreiches. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, ISBN 3-534-10422-6, S. 119.
  14. Werner Huß: Ägypten in hellenistischer Zeit 332–30 v. Chr.München 2001, S. 474 f.
  15. Vgl. Johannes von Antiochia, Fragment 54, in: Karl Müller (Hrsg.): Fragmenta historicorum Graecorum (FHG), Band 4, 1851, S. 558.
  16. Polybios, Historíai 15, 25, 12.
  17. So z. B. Günther Hölbl: Geschichte des Ptolemäerreiches. Darmstadt 1994, S. 119 und Werner Huß: Ägypten in hellenistischer Zeit 332–30 v. Chr. München 2001, S. 475.
  18. Polybios, Historíai 15, 25, 3–7.
  19. Günther Hölbl: Geschichte des Ptolemäerreiches. Darmstadt 1994, S. 119.
  20. Polybios, Historíai 15, 25, 8 ff.
Personendaten
NAME Agathokles
KURZBESCHREIBUNG Politiker des Ptolemäerreichs
GEBURTSDATUM 3. Jahrhundert v. Chr.
STERBEDATUM 203 v. Chr.
STERBEORT unsicher: Alexandria, Ägypten