Quotientennorm

Eine Quotientennorm oder Quotientenhalbnorm ist in der Funktionalanalysis eine auf natürliche Weise erzeugte Norm bzw. Halbnorm auf einem Faktorraum.

Definition

Es seien X {\displaystyle X} ein normierter Raum und U X {\displaystyle U\subset X} ein Untervektorraum. Auf dem Faktorraum X / U {\displaystyle X/U} definiere man

x + U := inf { x y ; y U } = d i s t ( x , U ) {\displaystyle \|x+U\|:=\inf\{\|x-y\|;\,y\in U\}=\mathrm {dist} (x,U)} .

Dann ist durch diese Definition eine Halbnorm auf dem Faktorraum gegeben; sie ist genau dann eine Norm, wenn der Unterraum abgeschlossen ist, man nennt sie die Quotientennorm bzw. Quotientenhalbnorm.

Quotient nach einem Kern

Ist U X {\displaystyle U\subset X} ein abgeschlossener Unterraum des normierten Raumes X {\displaystyle X} , so ist die Quotientenabbildung T : X X / U {\displaystyle T:X\rightarrow X/U} linear, stetig, bildet die offene Einheitskugel von X {\displaystyle X} auf die offene Einheitskugel von X / U {\displaystyle X/U} ab und es ist U = k e r ( T ) {\displaystyle U=\mathrm {ker} (T)} . Die Operatornorm der Quotientabbildung ist 1 {\displaystyle 1} , falls U {\displaystyle U} ein echter Unterraum ist, anderenfalls gleich 0 {\displaystyle 0} .

Seien umgekehrt X , Y {\displaystyle X,Y} normierte Räume und T : X Y {\displaystyle T:X\rightarrow Y} eine lineare Abbildung, die die offene Einheitskugel von X {\displaystyle X} auf die offene Einheitskugel von Y {\displaystyle Y} abbildet. Dann ist T {\displaystyle T} stetig, surjektiv und die Isomorphie X / k e r ( T ) Y {\displaystyle X/\mathrm {ker} (T)\cong Y} ist eine Isometrie.

Eigenschaften

Viele Eigenschaften vererben sich auf die Quotientennorm:

  • Ist X {\displaystyle X} ein Banachraum und U X {\displaystyle U\subset X} ein abgeschlossener Unterraum, so ist auch X / U {\displaystyle X/U} ein Banachraum, d. h. die Vollständigkeit vererbt sich auf die Quotientennorm.
  • Ist X {\displaystyle X} ein Hilbertraum und U X {\displaystyle U\subset X} ein abgeschlossener Unterraum, so ist auch X / U {\displaystyle X/U} ein Hilbertraum, d. h. auch die Quotientennorm wird durch ein Skalarprodukt erzeugt.
  • Ist X {\displaystyle X} ein gleichmäßig konvexer Raum und U X {\displaystyle U\subset X} ein abgeschlossener Unterraum, so ist auch X / U {\displaystyle X/U} gleichmäßig konvex.
  • Ist X {\displaystyle X} eine Banachalgebra und U X {\displaystyle U\subset X} ein abgeschlossenes zweiseitiges Ideal, so ist auch X / U {\displaystyle X/U} eine Banachalgebra, d. h. die Submultiplikativität der Norm überträgt sich auf die Quotientennorm.
  • Ist X {\displaystyle X} eine C*-Algebra und U X {\displaystyle U\subset X} ein abgeschlossenes zweiseitiges Ideal, so ist auch X / U {\displaystyle X/U} eine C*-Algebra, d. h. die C*-Eigenschaft der Norm gilt auch für die Quotientennorm.

Quotientenhalbnormen

Die Topologie eines lokalkonvexen Raumes X {\displaystyle X} wird durch eine Menge P {\displaystyle {\mathcal {P}}} von Halbnormen erzeugt. Sei U X {\displaystyle U\subset X} ein Unterraum. Für jedes p P {\displaystyle p\in {\mathcal {P}}} ist die Quotientenhalbnorm p ^ {\displaystyle {\hat {p}}} eine Halbnorm auf dem Quotientenraum X / U {\displaystyle X/U} , wobei

p ^ ( x + U ) := inf { p ( x + y ) ; y U } {\displaystyle {\hat {p}}(x+U):=\inf\{p(x+y);\,y\in U\}} .

Dann stimmt die Finaltopologie auf X / U {\displaystyle X/U} mit der durch die Halbnormen { p ^ ; p P } {\displaystyle \{{\hat {p}};p\in {\mathcal {P}}\}} erzeugten Topologie überein, insbesondere ist der Quotientenraum wieder lokalkonvex.

Quelle

  • Dirk Werner: Funktionalanalysis. 6., korrigierte Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6, Seite 54